Die Grusel-Gesellschaft

Das heute Normale im Journalismus, meine Damen und Herren, ist die Tatsache, dass wir keinen normalen Journalismus mehr haben. Journalisten berichten keine Ereignisse mehr, sondern sie erzählen Geschichten – und das mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen. Denn Journalisten, genau wie jeder andere Beruf, stehen unter Erfolgsdruck. Nur die reißerischen Geschichten garantieren, dass die Auflage schnellen Absatz findet.  Normale Berichte locken heute niemanden mehr hinter dem Ofen hervor und die Auflage bleibt liegen. Noch dazu in unserer schnelllebigen Zeit, wo das Geschehen von vor einer Stunde schon nicht mehr NEU ist.

Das ist zwar jetzt nicht wörtlich, aber sinngemäss das, was uns unlängst auf einem Seminar zur Krisenkommunikation der Experte zur Einführung mitteilte. Anschliessend durften wir üben, wie wir unsere „Stories framen“ würden, um sicherzugehen, dass genau die Message, die wir gerne herüberbringen möchten (und keine andere), auch durchkommt – und wir nicht aus Versehen etwas sagen, was dann doch reisserisch aufgemacht werden könnte.

Und seit dem anhaltenden Boom der Horror-Filme und Äkschen-Movies wissen wir alle eins: Gruseln ist IN. Nichts ist so auflagenverbessernd wie die erste blutige Schlagzeile morgens um acht. Da läuft einem schon bei Kaffee und Marmeladenbrötchen der erste Schauer über den Rücken. Das bringt Kohle in die Taschen der Medienanstalten, beschert dem Reporter möglicherweise eine nächste Karrierechance und sorgt zusätzlich noch dafür, dass der Durchschnittsbürger sich unwohl genug fühlt, um noch weitere Sicherheitsmassnahmen freudig in Kauf zu nehmen  – denn sie alle wollen nur eins: dass er sich weiter gruseln kann, ohne selbst davon betroffen zu sein.

Amok, Terror, Folter, Panik, Sprengstoffattacke? – Egal. Ich geh jetzt Pokemon-Go spielen … oder vielleicht doch etwas Gruseliges schreiben.