ICH STEH IM REGEN… Das Wetter und andere Kapriolen

Juli. Griechenland, genauer gesagt, dort wo vor uralten Zeiten Nestor seinen Palast hatte. Genau, das war der, der fast überall dabei war, von Troja bis zur Kalydonischen Jagd.

Wenn einer eine Reise tut

Erholt von einem energie- und ereignisreichen Ausflug in die Stadt, wo Milch und Honig fliessen (Meligala), stand ich in freudiger Erwartung des Busses Kalamata-Patra an der Nationalstrasse. Der Himmel strahlte, mein Gemüt ebenfalls und alles in allem schien es ein guter Morgen  zu werden. Die Hitzewelle, die in den vergangenen drei Tagen das Land in gedämpfter Sauna umfangen hielt, hatte sich gelegt und ein netter Bergwind strich übers Land, leicht wohlig kühlend.

Plötzlich Tropfen. Kleine versprenkelte, beinahe nicht wahrzunehmen. “Hah,”lacht meine Freundin. “Ein kleines Wunder gefällig? Hier ist es. Der Himmel ist blau und es regnet.” Gut, da hinten am äussersten Horizont ein paar schon leicht angedunkelte Wolken, aber ansonsten strahlte der Himmel mit der Sonne um die Wette. Und schon war auch dieser Mini-Niesel wieder verschwunden.

Es waren wohl noch ungefähr 10 Minuten Wartezeit, als sich der Horizont wie eine dunkle Decke über uns schon. Woher er so plötzlich gekommen war, vermochte keiner zu sagen. Quasi von einer Minute zur nächsten … und was er alles mitbrachte. Der Bergwind streichelte nicht mehr, sondern zog gewaltig an den Hosenbeinen, wirbelte die Haare durcheinander, blies die Jacke vom wartenden Rucksack und knirschte in den Pinien, die uns zuvor noch gnädig Schatten gespendet hatten.

Ein paar grosse Platscher platterten hernieder, noch ein paar und noch ein paar. Schon war der Asphalt dunkel. Ein Blick nach oben, Jacke gegriffen und über den Kopf gezogen, ein Sprung noch tiefer in die Pinien und die Gewalt eines Regensturms ergoss sich blitzend und donnernd über uns. Der Regen kübelte vom Himmel in Tropfen, die  – ich schwöre – die Grösse von Kuhfladen hatten. Ich jedenfalls war innerhalb einer Minute durchgeweicht bis auf die Knochen. Und der Bus war noch immer nicht da.

“Nach Gottseidank erwischt uns der Regen von hinten,” meinte meine Freundin. Ich konnte die Bemerkung nicht komplett einordnen. Nach meinem Ermessen war der Regen von hinten so nass wie von vorne. Und vor allen Dingen gehörte ein solcher Guss keineswegs im Sommer nach Griechenland und schon gar nicht in meine Urlaubszeit.

Irgendwann – man hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben -war die Hupe des Busses zu vernehmen, Zurückspringen zum Strassenrand. Winken – nicht dass er vorbeifährt. Der Fahrer öffnet die Vordertür und den Gepäckraum. Schnell den Koffer hineinwerfen und dann ab in den Bus. Zum Verabschieden keine Zeit mehr, ein Tschüss und … ich rufe heute abend an.

Dreissig oder fünfzig Gesichter auf gereckten Hälsen betrachten die eingestiegene nasse Katze mit grinsender Neugier. Gut, dass es uns nicht getroffen hat, ist auf jedem einzelnen zu lesen. Selbst der Fahrer schaut keineswegs ergriffen, als er die zwanzig Euronen kassiert, während er schon wieder anrollt.

“Sie wollen doch nicht etwa sitzen?”, fragte eine Dame ganz und gar nicht mitleidig. Neben ihr ist frei und sie fühlt schon, wie die Nässe auch zu ihr kriecht.  Nein – ich wollte die nächsten drei  Stunden stehen, dachte ich leise. Es war allerdings wirklich so, dass ich in diesem Zustand schlecht so lange im eisgekühlten Bus sitzen konnte.

Also durchlaufen, dorthin, wo sich der mittlere Einstieg in den Bus befindet. Dort gehen ein paar Stufen von der Stuhlhöhe nach unten. Toilettenräume habe griechische Überlandbusse nicht. Dort, wo bei deutschen Bussen eine Tür ist, ist hier eine solide Wand. Man fragt den Fahrer, wenn man mal muss. Aber die tieferliegenden Stufen bieten vielleicht etwas Sichtschutz beim Umkleiden.

Interessiert schaut ein Mittzwanziger ungeniert, was ich dort wohl vorhabe. Er sitzt dem Eingang genau gegenüber und hat somit direkte Sicht aufs Mittelmeer ohne Alpen. Na gut, junger Mann. Wenn es Ihnen denn Spass macht, einer knackigen 60-jährigen beim Strippen zuzuschauen – so sei Ihnen der Anblick gegönnt.

Glücklicherweise trage ich seit ein paar Jahren auf Grund der zugenommenen Körperfülle vorzugsweise – und gerade im Sommer – Kleider, die Grossraumzelten nicht unähnlich sind. Perfekt für das Umkleiden in einem vollbesetzten Bus. Siehste, junger Mann, und das Umziehen vom Strand her gewöhnt, kann ich das, ohne dass Du einen Blick auf auch nur das kleinste Teil werfen kannst, was nicht zur Zurschaustellung bestimmt ist.

Ich war gerade dabei, zur Seitenwand hingedreht, das Kleid anzuheben, um den Schlüpfer vor dem jugendlichen Blick verborgen nach oben zu ziehen, als der Bus abrupt auf offener Strecke zum Stehen kommt und  die Tür noch vor dem Halt offen schwingt. Draussen steht der Schaffner. Jawohl, in Griechenland habe Busse Schaffner, die irgendwo mitten auf dem Weg hinzusteigen, die Fahrkarten kontrollieren und dann genauso schnell auch wieder aussteigen, um auf den nächsten Bus zu warten und ihre Aufgabe fortzusetzen.

Dieser Schaffner also draussen, ich drinnen. Wir schauen uns an. Ich ihm ins Gesicht. Er mir … ich will es nicht wissen. Jetzt kann ich den Schlüpper auch ganz hochziehen, oder?