Ich erinnere mich noch immer daran, wie Heinz Rühmann in der Feuerzangenbowle mit dem Spiegel auf der Landkarte hin- und herfuhr, und sein Schulkamerad daraufhin in etwa erklärte: „ … und dann wussten die Goten eigentlich gar nicht so richtig, wo sie denn hinwollten…“
Genauso ging es mir. Ich wusste, dass es sie gab und dass die Goten da im europäischen Raum irgendwo hinwollten und irgendwo herrumgewandert sind. Genau, das war doch die Völkerwanderung. Die großen Könige Alarich und Theoderich hatte ich vom Schulunterricht schon längst vergessen und von Konstantin dem Großen wusste ich auch nur noch, dass das heutige Istanbul ehemals Konstantinopel hieß, bevor die Türken, des Griechischen nicht mächtig aus „pame stin poli“ (wir gehen in die Stadt) den Namen Istanbul machten.
Und dann drückte mir Bisera Suljic-Boskailo vor ein paar Wochen ihr Buch in die Hand: „Die Goten in Bosnien“. Huch, da waren die auch gewesen? Ist ja interessant. Und was meinte sie mit dem Brief der Bosniaken an Hitler? Wegen der Goten? Was hat das denn miteinander zu tun.
Kinder, ich habe da ein wirklich interessantes Buch gelesen, faszinierender Stoff. Die ehemals aus Schweden stammenden Völker haben Rom erobert, sind bis nach Spanien marschiert, haben maßgeblich im alten Byzanz mitgemischt, waren Jahrhunderte im bosnisch-serbischen Raum zu Hause und letztlich und endlich verdanken es die alten Germanen dem gotischen Bischof Wulfila, dass sie schon früh etwas vom Christentum abbekommen haben. Er hat nämlich das erste Mal die Bibel für die Menschen der Nordländer übersetzt – seinerzeit ins Gotische. Wer hätte das gedacht. Es gab also schon eine landessprachliche Bibel im 4 Jahrhundert nach Christus, über tausend Jahre vor Martin Luther. Ich wusste das nicht – aber Luther vermutlich auch nicht.
Die Goten schrieben doch in Runen, oder? – Haste so gedacht. Habe ich auch so gedacht. Aber Runen war ja gar keine Schrift. Das waren mehr religiöse Orakelsymbole. Eine gotische Schrift hat der gute Bischof erst erfinden müssen, bevor er die Bibel in dieser Sprache niederschreiben konnte. Das muss man sich einmal vorstellen: ein Menschen, der eine ganze Schrift mit Buchstaben, Grammatik, Satzzeichen und Syntax erfindet. Genial! Natürlich brauchte er dazu Ideen und benutzte das damals schon dagewesene. Würde ja jeder so machen, oder? Allerdings haben sich die Wissenschaftler bis jetzt mit dieser Vorstellung noch gar nicht befasst. Warum eigentlich nicht?
Ich fand die Theorie, die Bisera in ihrem Buch beschreibt recht zielführend und logisch. Aber vielleicht macht Ihr Euch davon ja selbst ein Bild (und nebenbei mal so ein bisschen Goten-Geschichte auffrischen hat auch seinen Reiz).
Gibt’s hier in e- und Druckversion. Lesenswert.