Harald Gröhlers “Inside Intelligence“ oder Die Entmystifizierung von James Bond
Was habe ich die Filme mit Begeisterung gesehen. Der Geheimagent: strahlend, schön, männlich, umwerfend und zwischen küssen, schwimmen, am Strand lümmeln, im Kasino spielen und sich amüsieren so nebenbei auch ständig dabei, die Welt zu retten. Und das an den schönsten und ungewöhnlichsten Plätzen der Welt.
Harald Gröhlers Buch hingegen spielt in Pullach – nicht gerade der Nabel der Welt. Gäbe es nicht ein paar Hügelgräber in der Nähe und den Bundesnachrichtendienst. Und der ist auch nicht in einem umwerfenden Gebäude im zwanzigsten Stock unter der Erde untergebracht, sondern in einer ehemaligen Parteiwohnsiedlung der Nazis, erbaut für kinderreiche Stabsangehörige. – Und wumm! Da hatte die James-Bond Verehrerin in mir ganz gehörig einen auf den Deckel bekommen.
Das Buch von Harald hat es in sich. „Organisation Gehlen“ nannte sich der BND in seinen gänzlichen Anfängen. Und dieser Gehlen hatte so gar nichts von einem James Bond. Im Krieg nicht richtig zum Zug gekommen (weder mit noch gegen die Nazis), verstand es der opportunistische Wicht (gross und strahlend schön muss er wohl auch nicht gewesen sein), sich nach dem Krieg bei den Amis lieb Kind zu machen und erhielt so die Erlaubnis, Briefe über Kaffeedampf zu öffnen, sofern er die Ergebnisse auch ordentlich über den Teich funkte.
Wer das Buch liest, kann sich auch des Eindrucks nicht erwehren, dass der gute Onkel Reinhard samt seiner Truppe einer gewissen Paranoia nicht entkam. Man wohnte und lebte nebeneinander in derselben Siedlung, war aber angehalten, sich mit Decknamen anzusprechen. Jedermann spann seine eigenen kleinen Intrigen, während Gehlen die Fäden spann, um sich selbst auf der Position und am Leben zu erhalten.
Ganz schön desillusionierend, so ein deutscher Geheimdienst. Sogar den Agenten der DDR hat man jahrelang für sich arbeiten lassen, ohne ihn zu entdecken. Die einzige, die früh Verdacht schöpfte, war Uschi, und die nahm man nicht für voll.
Markant beschreibt Gröhler die Begegnungen zwischen Adenauer und Gehlen, die sich gegenseitig wohl nicht ausgesprochen mochten, aber ertrugen, so lange sie sich brauchten. Das Verhältnis zwischen Franz Josef Strauss und dem deutschen Geheimdienstchef war da schon heftiger, mehr bayrisch herzlich. Der Ur-Bajuwar war dem „Nochrichtmann“ alles andere als freundlich gesinnt. Kein Wunder, denn der bayrische Stiernacken hatte auch nicht nur saubere Stecken. Übrigens erfahren wir im Buch auch, dass dem Franz der Mittelname Josef wohl nicht von Geburt anhing, sondern erst angenommen wurde, als der Metzgerssohn zu dem Schluss kam, dass ihn der „Josef“ in Anlehnung an einen Monarchen gewichtiger kleidete, „dass Franz einfach den klassisch Schillerschen Satz, Franz heisst die Canaille, scheute“, wie Gröhler es ausdrückte.
Während das Buch im Detail die Anfangsjahre des BND beschreibt, so sind doch immer wieder interessante Exkurse zu finden, die Gladio, den CIA, die Mossad, den KGB und andere unter dem Deckmantel operierende Organisationen mit einbinden. Natürlich gibt es auch ein paar Informationen über Snowdon und das letztjährige Geplänkel des gegenseitigen Abhörens der NATO-Partner. Jedenfalls lässt Gröhlers Beschreibung vermuten, dass Merkel derzeit das einzige Telefon hat, was nicht vom NSA abgehört und gespeichert wird. Im wesentlichen eigentlich nichts Neues – aber Gröhler beschreibt es so herrlich.
Überhaupt, Gröhlers leicht zynisch-satirischer Stil, mit dem er wichtige Informationen galant in den Text streut, sind eine Wonne für sich: „BND und Mossad kooperierten hier zwar erkennbar noch nicht miteinander, aber sie fraternisierten doch beide mit demselben Dritten, eben dem IIS. Ab 1991 wurde dann, anhand von illegalen Waffenlieferungen, spektakulär deutlich, dass sie auch gut miteinander kooperierten.“ Alles in allem ein Stil, der einen trotz des sehr trockenen Stoffes immer wieder schmunzeln lässt und das Lesen angenehm macht.
Wie der Autor im Prolog schreibt, beruht das Buch auf Tatsachen.Ausser den 62 Quellen im Anhang, baut es „… auf Dutzenden Gesprächen auf, der der Autor Harald Gröhler mit Uschi Mauve führen konnte, die 15 Jahre lang zu Reinhard Gehlen persönlich Zugang hatte…“
Das macht es jetzt für mich als Bond-Verehrerin natürlich nicht einfacher. Aber Wahrheit ist nun mal Wahrheit. Auch im Agentenhimmel wird nur mit Wasser gekocht. Wie im richtigen Leben.
Mein persönliches Fazit: Stil gut. Stoff gut. Inhalt gut. Buch gut.